Geschichten aus dem Kneipenalltag


ERSTE GESCHICHTE 

Der Kellner ging vorbei, ich rief ihn: "Noch ein Bier, bitte."
"Ist es ebenso eilig wie vorhin?" fragte der Kellner lächelnd. 
"Los, beeilen Sie sich", sagte ich unfreundlich.

(nach Jean-Paul Sartre) 



ZWEITE GESCHICHTE

"Was willst Du?" fragte ich grob. "Ich hab's eilig. Vor allem verzieh' dich ein bisschen, du stinkst nach Brillantine."
"Entschuldigen Sie", sagte Bobby, ohne sich zu beeilen. "Sie waren da und lehnten  am Tresen; Sie sahen nicht so aus, als wenn Sie's eilig hätten, darum erlaubte ich mir..."
"Sag' mal, wie redest du eigentlich mit mir?" Ich lachte laut los.
"Hast du dir mit deinem Anzug auch gleich eine Sprache von der Stange gekauft?"

(nach Jean-Paul Sartre) 



DRITTE GESCHICHTE

"Wünschen der Herr einen Tisch?"
Ein junger hübscher Mann verbeugte sich vor mir wie ein Kuppler.
"Ich suche jemand", sagte ich.
Der junge Mann erkannte mich.
"Ach, Sie sind's!" sagte er freundlich. "Fräulein Lola zieht sich um. Ihre Freunde sitzen hinten links. Ich führe Sie hin."
"Nein, danke. Wenn ich will, finde ich meine Freunde schon. Gut besetzt heute."
"Ja, nicht übel. Holländer. Sind ein bisschen laut, verzehren aber gut."

(nach Jean-Paul Sartre)



VIERTE GESCHICHTE

Auf der Strasse vor der Bar hat gestern Nacht jemand "Gute Nacht, Alter" zu mir
gesagt. Dann ist er auf seinem Fahrrad weitergefahren, und ein roter Funke hat
die Bar in meinem Rücken ausgeleuchtet.
Ich bestellte einen Calvados am Tresen.
Der Barkeeper trat zu mir:
"Sie verlassen uns also heute Nacht?"
"Vielleicht gehe ich nach Paris."
"Ich habe da gewohnt, in Paris", sagte der Barkeeper stolz. "Zwei Jahre. Ich
habe bei Siméon gearbeitet. Aber ich hatte Heimweh nach München."
Der Barkeeper zögerte jetzt eine Sekunde, denn er merkte, dass er mir nichts
mehr zu sagen hatte.

(nach Jean-Paul Sartre)